Artikel über Hans-Peter Kaufmann,
Dialogbuch-Autor der deutschen Fassung
Letzte Änderung am 24. April 2000
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Dieser Artikel von Magdalena Friedrich stand in der März/April-Ausgabe des Pro Sieben Club-Magazins "Zoom".
Meine eigenen Kommentare stehen in [eckigen Klammern]. Vielen Dank an Konstantin Volkmann von
BundyMania
für das Transkript.
Kaufmann, der Kürbis und Kelly Bundy
Was haben das englische Wort "Pumpkin" und das deutsche "Dumpfbacke"
gemeinsam? Fans der Serie "Eine schrecklich nette Familie" wissen es: Es ist
der Kosename des niveau- und mittellosen Damen-Schuhverkäufers Al für seine
sexy, superblonde Tochter Kelly! In fast jeder Folge der US-Sitcom "Married
... with Children" (Originaltitel) kommt "Pumpkin" - das übersetzt Kürbis
heißt - vor. Aber wie kommt man dann auf "Dumpfbacke" - ein Begriff, der
zusammen mit der Serie mittlerweile schon Kult geworden ist?
"Das ist schnell erklärt", meint Hans-Peter Kaufmann, Sitcom-übersetzer und
Synchronisateur. "Der Kosename entstand nach der simpelsten und zugleich
schwierigsten Regel der Synchronisation: Die Mundbewegungen der Schauspieler
müssen mit den übersetzten Wörtern übereinstimmen." Wenn sich Als Mund
schließt, muß im Deutschen also ein geschlossener Laut gesprochen werden.
Pump-kin - Dumpf-backe.
Keine einfache Aufgabe, das übersetzen von Sitcoms.
Doch es ist Kaufmanns täglich Brot. Der Chef der Synchronstudios Piazza
Synchron in München absolvierte sein Studium der Theatergeschichte und
Germanistik in Tübingen, München und Paris bei Lehrern wie Chabrol, Truffaut
und Godard. Danach arbeitete er als Generalbevollmächtigter bei Kirch.
Dessen Keller war bis zum Rand gefüllt mit Videoaufzeichnungen von
US-Sitcoms - natürlich alle in Englisch. Nachdem gerade eine erste deutsche
Ausstrahlung der "Bill Cosby Show" gefloppt war, galten Sendungen dieser Art
zu der Zeit als nicht übertragbar, der amerikanische Humor käme bei den
deutschen Zuschauern nicht an. [Freilich wurden damals - Ende der 80er - keine Lacher eingemischt, was
zu für das deutsche Publikum unerklärlichen Pausen im Ablauf führte.]
Doch Kaufmann sah dies anders. "Ich kann
das", meinte er damals und machte sich ans Werk.
Heute hat er ein wunderschönes Büro auf dem Münchner Loden-Frey-Gelände,
sechs feste und viele freue Autoren, Tonmeister, Cutter, Aufnahmeleiter und
eine Sekretärin. Diese recherchiert ab und zu bei den Mitarbeitern im
Betrieb, ob ihnen ein bestimmter Begriff, eine Person oder ein Ereignis
bekannt ist oder nicht. Das geschieht, wenn der Chef eine Folge
synchronisiert und sich über die Geläufigkeit einer Sache nicht sicher ist.
Denn mit einem zweiten Wohnsitz in Los Angeles "verliert man schnell das
Gefühlt dafür, was Deutschlands TV-Zuschauern bekannt ist und was nur
amerikanische Gleichgesinnte lustig finden können", mein Kaufmann. "Doch
diese Amerika-Nähe ist essentiell, wenn man Sitcoms, Serien und Filme
synchronisieren will. Mann muß die Wirkung der Pointe auf das US-Publikum
kennen, um eine passende Pointe für das deutsche Publikum zu finden, und
dies dann ins Deutsche übertragen."
Besonders schwierig sei das bei Wortspielen und Redewendungen. "Mensch,
Junge", denkt er manchmal, wenn er mit seinen Kindern vor dem Fernseher
sitzt und einen wortwörtlich übersetzten Dialog hört, "du hast überhaupt
nicht erkannt, daß da ein Witz war." [Aber auch Kaufmann unterliefen solche und andere Fehler.]
Der zweifache Vater weiß, wovon er redet: Er hat an der University of
California in Los Angeles (UCLA) von "Göttern der Sitcoms" gelernt, auch
seine Autoren nehmen dort an Seminaren teil.
Neben dem zu übertragenden Witz gibt es bei der Synchronisation noch mehr zu
beachten: Es müssen zum Beispiel Alternativen für berühmte Persönlichkeiten
der Geschichte, des (amerikanischen) Alltags, Hollywoods und natürlich der
Politik gefunden werden. Bemerkungen im Zusammenhang mit Bill Clinton und
O.J. Simpson sind international verständlich. Anders die "kleinen Fische"
aus Serie und Film. "Al hatte sich auf einen amerikanischen Schauspieler
namens Robert Ulrich eingeschossen, den in Deutschland kein Mensch kannte",
erzählt der Münchner. Mr. Bundy knöpfte sich Ulrich also eine Zeitlang in
jeder Folge verbal vor. So mußte ein deutsches Pendant her, eine
Persönlichkeit, die das gleiche Image transportiert. Kaufmann entschied sich
für Klaus-Jürgen [eigentlich Klausjürgen] Wussow. Das paßte doppelt gut, da zu der Zeit "Die
Schwarzwaldklinik" lief.
Natürlich überkommen Hans-Peter Kaufmann solche Ideen nicht beim ersten
Anschauen. Wie lange die komplette übersetzung dauert, hängt immer von der
jeweiligen Tagesverfassung ab. "Wenn's gut läuft, so etwa zwei Tage", sagt
der 57jährige. An übung mangelt es dem Synchron-Chef nicht: Die deutschen
Fassungen von ProSieben-Serien wie "Wer ist hier der Boss?" (wochentags um
8.35 Uhr) und "Cheers" (montags bis donnerstags um 1.10 Uhr) entstanden
unter dem Dach der Plaza Synchron. Auch "Hör mal, wer da hämmert", "Auf
schlimmer und ewig", "Verrückt nach Dir", "Party of Five" und "Ned und
Stacy" wurden hier synchronisiert.
Doch Synchron-Autoren müssen nicht nur sinngemäß und passend übersetzen
können, sie haben auch eine gewisse gesellschaftliche Aufgabe. Kaufmann:
"Die Fernsehsprache wird zunehmend ausschlaggebend für die Kommunikation."
So hat sich zum Beispiel noch vor 20 Jahren kein Mensch mit "Hallo" begrüßt.
Das bürgerte sich er ein, da es keine entsprechend passende übersetzung für
"Hello" gab. [Das halte ich für übertrieben.] Ebenso verhält es sich mit dem Satz "I'm sorry",
der im Deutschen mit "Tut mir leid" übersetzt wird, weil es der Lippenbewegung
entspricht. Doch dies hat eigentlich eine viel tiefer gehende Gewichtung als
im Englischen. Die Floskel "Wir sehen uns" gibt es im Deutschen auch erst
seit "See you" übersetzt werden mußte.
Hinter dem täglichen Fernsehprogramm verbirgt sich also eine richtige
Wissenschaft, deren Ziel es ist, nicht aufzufallen. Denn erst, wenn der
Zuschauer die Synchronisation nicht bemerkt, ist Kaufmann mit seiner Arbeit
zufrieden.
Also, nächstes Mal um 17.30 Uhr bei ProSieben, wenn Al gerade mit Kelly
diskutiert: Achten Sie darauf, wie gut "Dumpfbacke" zu seiner Mundbewegung
paßt.
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© Andreas Carl 2000